Gerd Poppe

* 1941

  • „Aber Anfang der siebziger konnte man kurzzeitig das Gefühl haben, dass es eine gewisse Lockerung gibt. Das war aber dann sehr schnell vorbei nach der Machtübernahme Honeckers, die hat er dann doch sehr schnell wieder zu der alten Art und Weise gefunden von Repression und Druck und verhärteten Positionen auch, die ja dort immer zu spüren waren. Es war auch ähnlich wie bei Ulbricht das Niveau eigentlich erschreckend von dieser Führungsschicht. Jedenfalls kam es ja dann ´76 zu der Ausbürgerung von Biermann und auch allen möglichen anderen Schikanen gegenüber kritischen Autoren, Künstlern und so weiter, so dass dann die Biermann-Ausbürgerung wirklich noch mal einen weiteren Einschnitt bedeutete. Ich hab dann auch mit einer damaligen Freundin einen Protestbrief geschrieben und an Honecker geschickt und gleichzeitig hatte ich ja in Stahnsdorf gekündigt und wollte mir eine neue Stelle suchen und ich hatte dann mit viel Mühe eine gefunden, hatte schon ein Einstellungsgespräch, alles war geklärt und dann kam eben diese Biermann-Ausbürgerung und der Protest dagegen und dann wurde mir telefonisch mitgeteilt, dass die Stelle schon anderweitig vergeben ist.“

  • „1983 wie gesagt haben sie meine Frau verhaftet, aber nun waren inzwischen sowohl diese Friedensaktivisten aus Holland z.B., die sehr aktiv waren, da kamen Hunderte von Briefen an sie in den Knast, die hat sie zwar nicht zu Gesicht gekriegt in der U-Haft, aber die Stasi hats natürlich gesehen, was da für ein Wirbel entstand. Dann ist Petra Kelly rotiert, die ist also dann zu X Leuten gegangen und sich dafür eingesetzt, dass – zunächst waren vier Frauen verhaftet, zwei kamen dann wieder frei, Bärbel Bohley und Ulrike blieben zunächst da im Gefängnis – und dann hat sie wirklich, alle Welt hat sie abgeklappert, so dass es dann nachher Proteste aus wirklich vielen Richtungen gab. Aber wahrscheinlich sind die deshalb nach sechs Wochen raus genkommen, weil diese Westproteste so stark waren. Das war eine neue Entwicklung, die wir vorher noch nicht hatten.“

  • „Dann muss man aber sagen, dass in den siebziger Jahren noch einige Reisen stattfanden, die für mich wichtig waren. Und zwar konnte ich erstmals ins Ausland in den siebziger Jahren, ich musste also fast 30 werden, um überhaupt mal ins Ausland zu kommen. Also das war dann zunächst Polen, dann Ungarn, dann die Tschechoslowakei, Prag dann mehrere Male noch. In der Tschechoslowakei, also in Prag habe ich dann auch Dissidenten besucht, inzwischen war die Charta 77 gegründet, die ich mit sehr großer Aufmerksamkeit verfolgt habe, ich kannte auch die Gründungspapiere, ich habe mir die Unterzeichner aufmerksam durchgelesen, um wen sich das handelte, es waren Teile der ´68 dabei, aber dann voralldingen auch der Kreis um Havel. Zuvor hatte mich auch schon die Gründung von Kor in Polen, dieses Komitee zur Verteidigung der streikenden Arbeiter ´76 sehr beeindruckt. Also das waren neue Entwicklungen, auf die ich auch gebaut habe und eigentlich sehr frühzeitig. Mit Freunden zusammen haben wir dann auch Dissidenten in Budapest besucht. In Prag habe ich Petr Uhl und Anna Šabatová mehrmals besucht, zweimal und beim dritten Mal war Petr Uhl mal wieder im Gefängnis. Also es gab Kontakte zu Dissidentenkreisen in diesen Ländern und so habe ich dann auch gesehen, was die machen. Dass die machten, diese Wohnungsuniversitäten, oder sie druckten eben unabhängige Zeitschriften, illegale, es gab Demonstrationen, Veranstaltungen unterschiedlicher Art trotz der Repressionen. Und dies alles hat mich also so in Gang gesetzt, dass ich der Meinung war, wir müssten jetzt nun endlich, auch mit Verspätung gegenüber diesen Ländern ähnliches tun. Also, Parallelkulturen sozusagen, eine Gegenkultur, die dort systematisch aufgebaut wurde, eine Gegenöffentlichkeit.“

  • „Wir haben dann mit einer kleinen Gruppe von Leuten die Initiative Frieden und Menschenrechte gegründet, Ende 1985. Ausgangspunkt war ein verbotenes Menschenrechtsseminar, das in einem kirchlichen Raum, also Saal stattfinden sollte, weil andere kriegten wir ja gar nicht. Und das war das Beginn dieser Initiative, die sich in der Folgezeigt ganz stark an der Charta 77 orientierte, inhaltlich, insbesondere deshalb, weil die Position, die die Charta 77 in ihren Erklärungen schickte, bestand darin, einen friedensbegriff zu definieren, der eben nicht nur aus militärischen Aktivitäten oder aus der Abwesenheit von Krieg besteht, sondern für sie war es ein Gelichgewicht von innerem und äußerem Frieden und sie sagten, wenn ein Staat die Rechte seiner Bürger im eigenen Lande nicht achtet, dann ist er auch unglaubwürdig in seinen Friedensbeteuerungen nach außen. Diese Position hatten wir eigentlich in den frühen achtziger Jahren vollständig übernommen.“

  • „Ab 1980 haben wir die literarischen Lesungen da gemacht. Di liefen vorher bei Frank-Wolf Matthies, der aber ´79 in den Westen ausgereist und dann habe ich mir überlegt, dass das bei uns weiterlaufen kann. Und da gabs dann wirklich sehr, sehr interessante Lesungen, mit Adolf Endler z.B. mehrere, mit Elke Erb, mit Lutz Rathenow, mit Wolfgang Hilbig, damals wusste man noch nichtn dass das einer der bedeutendste deutschen Schriftsteller wird. Also diese Lesungen waren natürlich hoch interessant und sie sind natürlich auch sofort als staatsfeindlich einsortiert worden. Bis hin dann zu den Ordnungsstrafen, die ich dafür bekam. Dann vor der Haustür standen oft die Stasi und die Polizei, haben die Ausweise kontrolliert von Leuten, die in die Wohnung kamen. Und nach drei Jahren hab ich das dann aufgegeben, dann liefen die Sachen in anderen Wohnungen weiter, ich dann schon die zweite Ordnungsstrafe und im Grunde genommen gab es dann den Versuch, jede Lesung zu verhindern.“

  • „Und nun kommt dazu eben noch der Fall der Mauer. Das war für mich natürlich ein ganz enormer Einschnitt wiederum in meinem Leben. Ich hatte 28 Jahre lang den Teil der Welt nicht mehr gesehen, und 20 Jahre lang auch den anderen Teil nicht und nun afu einmal konnte man darüber. Da strömten die Massen. Ich wird das nie vergessen, diese Abend und die Details. Wir saßen in einer Wohnung in der damaligen Wilhelm-Pieck-Straße, Torstraße heute, und wir saßen da mit mehreren Leuten und diskutierten mit einem französischen Renegaten. Und irgendwie ging ich dann mal ans Fenster und da war eine schirr unübersehbare Menge von Trabant-Autos. Auf einen Straßenseite, auf der Gegenseite nichts. Alle in die gleiche Richtung, und einer nach dem anderen. Und ich sag: „Erhard, mach doch mal den Fernseher an, irgendwas ist los.“ Und da sahen wir dann schon die Bilder, wie sie da sozusagen am Zaun rütteln, also unmittelbar bevor die Grenzübergänge geöffnet wurden. Und ja, dann bin ich natürlich auch sofort da hin, und bin dann in dieser Nacht natürlich in West-Berlin rumgelaufen. Konnte mich noch einigermaßen orientieren, auch nach dieser langen Zeit, hatte noch ein paar Adressen im Kopf, von Leuten, die, von Freunden oder so, und dann bin ich da hin und hab aber fast niemanden angetroffen, weil die alle zur gleichen Zeit in Ost-Berlin waren.“

  • „Als das hat mich sehr aufmerksam werden lassen für die dortigen Entwicklungen und immer auch Hoffnungen erweckt, dass vielleicht gewissen Reformen in der DDR noch möglich wären und eben vielleicht die Freiräume für uns auch größer würden und möglicherweise sich daraus auch politische Veränderungen ergeben. Diese Hoffnung wurde natürlich sehr bald enttäuscht und insbesondere mit der Niederschlagung des Prager Frühlings. Das ist ja so gewesen, dass in der DDR eine sehr große Aufmerksamkeit für die Ereignisse in der Tschechoslowakei entstanden ist zu diesem Zeitpunkt, viel mehr als später z.B. bei der polnischen Solidarnosc. Also die Sympathie die diese ´68-Bewegung in Prag hatte war sehr, sehr groß und demzufolge gab es auch eine Menge von Unzufriedenheit und von Zorn und auch Protest als die russischen Panzer dort rollten. Und ich sagte ja, dass ich ja überhaupt Interesse an dieser Region hatte auch in den nachfolgenden Jahren, und 1968, als diese Hoffnung zunichte gemacht wurden, bin ich dann mit Freunden in die tschechische Botschaft in Ost-Berlin gegangen, habe dort ein Protestschreiben unterschrieben, oder ein auch Solidaritätsschreiben an Dubček gerichtet und doch auch sehr deutlich meinen Unmut geäußert über diesen Einmarsch und auch über die DDR-Beteiligung daran, so dass ich, wenn ich gefragt werde „wo liegen denn die Anfänge von oppositionellem Verhalten“ eigentlich immer dieses Jahr ´68 nenne. Das ist ein Schlüsseljahr für die weitere Entwicklung gewesen.“

  • „In derselben Zeit hatten wir einen unabhängigen Kinderladen gegründet, weil wir nicht wollten, dass unsere Kinder in diese offiziellen Kindergarten gehen, wir hatten was gegen diese Art der Erziehung dort. Dann haben wir gesagt, wir machen das selber, haben eine Frau engagiert und in der Husemannstraße eine Ladenwohnung, den Kinderladen eingerichtet, die Ladenwohnung gehörte Mietern, die Freunde von uns waren, die aufs Land gezogen sind. In dem Falle dieser Ladenwohnung hat das natürlich sofort die Staatsmacht auf den Plan gerufen, als sie gemerkt haben, was das läuft. Das war ja überhaupt nicht üblich, dass Eltern ihre Kinder sozusagen privat versorgen und dann auch noch vor aller Augen. Die Leute gingen auf dem Bürgersteig dort lang, guckten in die Schaufensterscheibe und fragen sich, „was ist denn das hier, ne? Ach, so was könnten wir vielleicht auch machen“. Also, jedenfalls das lief auch drei Jahre, etwa von 1980 bis 1983 und wurde auf ähnliche Weise wie diese Lesungen als ne feindliche Aktion interpretiert, aber überraschender nicht sofort aufgelöst, sie haben da ne Weile zugeguckt. Bis sie schließlich im Dezember 1983 den Kinderladen regelrecht zerstört haben. Da sind sie in aller Frühe, um 5 Uhr morgens gekommen, als Bauarbeiter getarnt, mit einem LKW, haben die Straße abgesperrt auf beiden Seiten, die Schaufensterscheibe zerschlagen, die Tür eingetreten, die Kinderbetten und das Spielzeug alles rausgeschafft, auf den LKW geschmissen, und dann haben die das zugemauert, einfach zugemauert alles , die Schaufensterscheibe, die Tür, die Eingangstür, alles war zugemauert. Die erste Frau kam dann mit ihrem Kind zwei Stunden später und stand vor einer Wand, die vorher nicht da war.“

  • Celé nahrávky
  • 1

    Berlin, 04.07.2014

    (audio)
    délka: 03:44:05
    nahrávka pořízena v rámci projektu Stories of 20th Century
Celé nahrávky jsou k dispozici pouze pro přihlášené uživatele.

Ich handelte bewusst und wusste, was passieren könnte.

Gerd Poppe 2014
Gerd Poppe 2014
zdroj: Jacob Venuß

Gerd Poppe war ein Vorreiter und wichtiger Vertreter der Opposition in der DDR. Er wurde 1941 in Rostock geboren. Seine Kindheit war geprägt von den Auswirkungen des Krieges in der bombenzerstörten Stadt. 1947 wurde er eingeschult und verspürte in seiner Schulzeit eine tiefe Abneigung gegen die stete Präsenz sowjetischer Heldengeschichten und Stalin-Bildern. Nach dem Abitur leistete er ein praktisches Jahr als Hilfsschlosser in der Warnowwerft in Warnemünde. Danach studierte er - ein Wunsch seines Vaters - Physik in Rostock; 1964 beendete er sein Studium. Von 1965 bis 1976 arbeitete er als Physiker im Halbleiterwerk Stahnsdorf. Der Bau der Mauer 1961 sieht Poppe als den Beginn seiner Abneigung gegen das System, sein politisches Interesse verstärkte sich, er glaubte jedoch noch an Veränderungen innerhalb des kommunistischen Systems und orientierte sich stark an Ostmitteleuropa, wo größere Freiräume möglich waren. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 unterzeichnete er das Solidaritätsschreiben in der tschechoslowakischen Botschaft. 1970 zog Poppe von Stahnsdorf nach Berlin und machte dort in der Folgezeit zahlreiche neue Bekanntschaften, die seine kritische Haltung gegenüber dem System teilten. Über Freunde lernte er auch Robert Havemann und Wolf Biermann kennen. Poppe hatte den Wehrdienst verweigerte und musste 1975 sechs Monate Dienst als Bausoldat leisten. Die Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976 bedeutete einen Einschnitt für Poppe: Er richtete einen Protest an Honecker, woraufhin die Akademie der Wissenschaften ihre Zusage für seine Einstellung zurückzog. Fortan hatte er faktisch Berufsverbot und arbeitete bis 1985 als Maschinist in einer Berliner Schwimmhalle. Nach der Biermann-Ausbürgerung verlor Poppe zudem einen großen Teil seines Freundeskreises, da viele in den Westen emigrierten. Zudem wurden in dieser Zeit trotzkistisch eingestellte Freunde verhaftet und in der Folge auch Poppes Wohnung durchsucht. In der Folgezeit kam Poppe jedoch auch mit neuen Menschen in Kontakt: Wichtig war für ihn 1977 die Lektüre von Rudolf Bahros „Die Alternative“. Poppe bemühte sich 1979 vergeblich, dass Bahro die Zustimmung zu seiner Ausreise nach der Entlassung aus der Haft zurückzuziehen würde. In dieser Zeit intensivierte sich auch Poppes Beziehung zu Havemann, nach der Aufhebung seines Hausarrestes 1979 war Poppe häufig bei ihm zu Besuch. Die zweite Hälfte der siebziger Jahre waren für Poppe geprägt von zahlreichen politischen Diskussionen in Kleingruppen, die allerdings stets in gleichen Kreisen stattfanden und somit nicht auf die Öffentlichkeit wirkten. Er positionierte sich immer noch politisch links, hatte jedoch Ende der siebziger Jahre die Hoffnung auf demokratische Reformen verloren. Wichtig für Poppe waren Reisen in die ostmitteleuropäischen Nachbarländer, vor allem in die Tschechoslowakei, deren Charta 77 er aufmerksam verfolgte. Diese Aktivitäten in Ostmitteleuropa waren für ihn Inspiration, Ähnliches in der DDR umzusetzen und eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Für die Anfänge der oppositionellen Bewegung war die Friedensbewegung ab Ende der siebziger Jahre sehr wichtig, die sich vor allem im kirchlichen Rahmen entwickelte konnte. Auch Poppe hatte zahlreiche Kontakte zur internationalen Friedensbewegung, handelte jedoch nie aus christlichen Motiven heraus. Ab 1980 fanden regelmäßig literarische Lesungen in Poppes Wohnung statt. Diese wurden von der Stasi als „nichtgenehmigte Veranstaltungen“ überwacht, Poppe mit Ordnungsstrafen belegt. Ebenfalls 1980 gründete Poppe mit einigen anderen einen unabhängigen Kinderladen, der bis 1983 bestand und dann von der Stasi zerstört wurde. Bereits 1980 konnte Poppe nicht mehr reisen; er stand auf einer schwarzen Liste und wurde am Grenzübergang stets abgewiesen. Umso wichtiger wurden die Treffen mit internationalen Aktivisten in Ost-Berlin: Ab 1983 wurden die Kontakte mit der internationalen Friedensbewegung intensiver, deren Vertreter im Zuge der zweiten END-Convention in West-Berlin auch die Opposition in Ost-Berlin besuchten. Dieses erste Treffen fand in Poppes Wohnung statt, die sich in der Folgezeigt zu einem Hauptanlaufpunkt für internationale Aktivisten entwickelte. Im selben Jahr kamen auch die Kontakte mit den bundesdeutschen Grünen zustande; vor allem mit Petra Kelly unterhielt Poppe einen engen Kontakt. Die bundesdeutschen Politiker konnten mithilfe ihrer Diplomatenpässe Bücher, Zeitschriften, Briefe, aber auch technische Geräte in die DDR schmuggeln. Diese Unterstützung war wichtig für die Herausgabe illegaler Samizdat-Zeitschriften, an denen sich Poppe beteiligte. 1983 wurde Poppes Frau Ulrike zusammen mit Bärbel Bohley wegen „landesverräterische Nachrichtenübermittlung“ verhaftet. Dies löste massive Proteste aus der internationalen Friedensbewegung aus, so dass sie nach sechswöchiger Untersuchungshaft entlassen wurde. Diese Reaktion der Staatsmacht war einen neue Entwicklung der achtziger Jahre: Verhaftete, die einen gewissen Bekanntheitsgrad hatten wurden wieder freigelassen, da Proteste zu erwarten waren. Poppe selbst wurde stets nur für z.B. einen Tag verhaftet, etwa um in an der Teilnahme an Veranstaltungen zu hindern (so beispielsweise 1979 am Prozess gegen Havemann). 1985 gründete Poppe zusammen mit Bärbel Bohley und Wolfgang Templin die Oppositionsgruppe Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM). Der Ausgangspunkt für die Gründung war ein geplantes Menschenrechtsseminar, das aufgrund von Druck auf die Kirchengemeinde, in der das Seminar stattfinden sollte, abgesagt wurde. Die IFM orientierte sich inhaltlich stark an der Charta 77, deren Friedensbegriff des Gleichgewichts zwischen innerem und äußerem Frieden sie teilte. Die Samizdat-Veröffentlichungen waren dabei sehr wichtig, da sie eine DDR-weite Verteilung und somit Vernetzung der verschiedenen Gruppen ermöglichten. So entstand ein Netzwerk, über das auch Informationen über Aktionen in anderen Ländern, Solidaritätsbekundungen oder gemeinsame Erklärungen verbreitet werden konnten. Seit Anfang der achtziger Jahre stand Poppe verstärkt unter Beobachtung der Sicherheitsorgane. Ab 1980 war er mit einem Ausreiseverbot belegt, laut Akten war 1983 seine Verhaftung erwogen worden und ab Mitte der achtziger Jahre bemühte sich die Stasi durch Druck und Zersetzungsversuche innerhalb der Familie, diese zur Ausreise zu bewegen, was jedoch nicht gelang. Ab 1985 konnte Poppe als Ingenieur im Baubüro des Diakonischen Werkes arbeiten. Im Zuge der Revolution 1989 vertrat er die IFM am Runden Tisch und wirkte dort in der Arbeitsgruppe „Neue Verfassung der DDR“. In der Regierung Modrow von Februar bis März 1990 war Poppe Minister ohne Geschäftsbereich, bei den Wahlen im März 1990 trat er für das Bündnis 90 an, für das er bis Oktober Mitglied in der frei gewählten Volkskammer war. 1992 sieht Poppe seine Unterlagen bei der Staatssicherheit ein. Er wurde von über 40 Personen im Laufe der Zeit bespitzelt. Auch in der IFM waren teilweise zeitgleich bis zu sechs IM aktiv. Von 1990 bis 1998 war Poppe Bundestagsabgeordneter für Bündnis 90 / Die Grünen. Nach den Wahlen 1998 wurde er erster Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung im Auswärtigen Amt und konnte somit sein Engagement für seine ursprünglichen Themen Menschenrechte und Außenpolitik fortsetzen. Seit 1998 ist er zudem Mitglied des Vorstandes der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.