Následující text není historickou studií. Jedná se o převyprávění pamětníkových životních osudů na základě jeho vzpomínek zaznamenaných v rozhovoru. Vyprávění zpracovali externí spolupracovníci Paměti národa. V některých případech jsou při zpracování medailonu využity materiály zpřístupněné Archivem bezpečnostních složek (ABS), Státními okresními archivy (SOA), Národním archivem (NA), či jinými institucemi. Užíváme je pouze jako doplněk pamětníkova svědectví. Citované strany svazků jsou uloženy v sekci Dodatečné materiály.
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Wir reden bis heute über daheim
Friederike Frank, geb. Urbassek am 12.3.1926
wohnte in Freiwaldau (Jeseník), in der Kirchgasse (Kostelní) Nr. 160
Nach Mobilisierung 1938 Flucht nach Weidenau
Vor Kriegsende Flucht nach Spornhau
Zwangsarbeit in Olmütz vom Juli 1945 bis Februar 1946
Internierung des Vaters
Vertreibung
Beruflich Näherin
Ehemann früh gestorben
Sie kam mit ihrer Schwester oft nach Freiwaldau zurück
Friederike Frank, geb. Urbassek am 12.3.1926, wohnte in Freiwaldau (Jeseník), in der Kirchgasse (Kostelní) Nr. 160. Das Haus Nr. 161 gehörte auch der Familie. Friederike hat 2 Söhne, 4 Enkel und einen 1 Urenkel.
Familie und Freizeit
Friederike hat eine Schwester, Inge Urbassek. Sie wurde am 18.2.1933 geboren. Sie hatten auch einen Bruder (geb. 1923). Er wurde im Krieg verwundet, verlor ein Auge, kam in ein Lazarett nach Wien, hat sich in Österreich niedergelassen. Er ist jedoch bereits verstorben.
Der Vater war Bürgerschuldirektor von der Knabenschule (heute Realschule) in Freiwaldau in der Schillerstrasse (heute Březinova). Die Mutter war Hausfrau, sie hat u.a. die Grossmutter umsorgt.
In der Freizeit hat man Ausflüge auf den Kreuzberg (Křížový vrch) gemacht. Die Schwestern waren in einer Wandergemeinschaft, die sich die Peterbaude in Streitenhau (Pasíčky) gepachtet hat. Sonntags ist man hingegangen.
Im Winter sind sie neben dem Altvatersanatorium (heute Pentagon) in Freiwaldau Schlitten und Ski gefahren. Damals gab es dort keinen Schlepper, man musste zu Fuß hinauflaufen.
Ins Böhmische gehen
In sprachlich gemischten Gebieten, wie Trutnov oder Náchod, hat man Kinder in der Ferienzeit in tschechischsprachige Familien geschickt, damit sie Tschechisch lernten. Tschechische Familien haben wiederum ihre Kinder in deutsche Familien geschickt.
Im Freiwaldauer Kreis hat man das nicht oft gemacht, die Tschechen waren sehr weit von den Deutschen entfernt. Friederikes Bruder war in Tischnowitz (Tišnov) zum Austausch. Es hat ihm aber nicht gefallen, er kam mager zurück.
Der deutsche Kampf um Autonomie
Die Politik hat in das Alltagsleben eingegriffen. Schon nach dem 1. Weltkrieg gab es Auseinandersetzungen. Im März 1919 wurden einige deutsche Demonstranten in Prag erschossen. In der Zwischenkriegszeit wurde das Land tschechisiert. Deutsche Beamte wurden mit tschechischen ersetzt. Wenn es 8 tschechische Kinder in einer Ortschaft gab, wurde eine tschechische Schule gegründet.
Die tschechoslowakischen Deutschen wollten nicht an Deutschland angeschlossen werden, sie wollten nur Selbstverwaltung, die sie aber nie bekamen.
In Freiwaldau waren nur wenige Tschechen, sie hatten eine eigene Grundschule, die höheren Schulen waren nur deutschprachig.
Mobilisierung und Anschluss
Nach der Mobilisierung flüchteten Schwestern Urbassek mit dem Bruder und Vater über die Nesselkoppe nach Rotwasser (Červená Voda). Dort übernachteten sie bei einem Bauern, am nächsten Tag ging es weiter nach Weidenau (Vidnava). Ihr Onkel hatte dort eine Metzgerei. Weidenau war direkt an der Grenze, bei Kriegsausbruch konnten sie also schnell rüber ins Reich.
Nach dem Münchner Abkommen wurden die einmarschierenden deutschen Truppen als Befreier begrüsst. In der Schule wurde der Tschechischunterricht eingeschränkt. Aber diejenigen, die mit Tschechisch angefangen haben, mussten weitermachen, bis zur 3. Klasse. Am Gymnasium wurde Tschechisch mit Englisch ersetzt.
Die Umstellung auf die Reichsmark war nicht einfach. Die Reichsdeutschen hatten mehr Geld. Schon vor dem Krieg hatten sie einen 4-Jahres-Plan, bestimmte Lebensmittel wurden schon vor dem Krieg rationiert, z.B. Butter und Wollstoffe. Sie kamen in die Tschechoslowakei und haben viel eingekauft. Sie waren deutlich kaufkräftiger als die Sudetendeutschen.
Die Sudetendeutschen waren froh, dass sie wieder Deutsche sein durften, aber ihnen wurde schnell das reichsdeutsche System aufgezwungen, es gab wieder keine Autonomie.
Die Reichsdeutschen haben Ämter besetzt. Lehrer sind dieselben geblieben. Junge Männer mussten in die Armee einrücken. Ihre Arbeitskraft wurde durch „Fremdarbeiter“ ersetzt meist Polen und Kriegsgefangene (Engländer). Es war streng verboten, mit Fremdarbeitern zu sprechen. Es gab Ausnahmen, wo Bauern die Fremdarbeiter wie ihresgleichen behandelt haben, mit ihnen am Tisch gegessen usw. Dadurch haben sie viel riskiert.
Kriegsausbruch
Die Eltern Urbassek waren entsetzt, als der Krieg am 1.9.1939 ausbrach. Sie wussten von dem Ersten Weltkrieg, was für Schrecken der Krieg bringen wird. Es gab keine Kriegsbegeisterung. Die Sudetendeutschen begrüssten den Anschluss an das Reich, aber nicht den Krieg.
Alle Radiosender wurden gleichgeschaltet. Sie haben dasselbe ausgestrahlt, mit regionalen Ergänzungen. Es war verboten fremde Sender zu hören. Mutter Frank hat das Verbot nicht eingehalten. Die Kinder mussten versprechen, dass sie das niemandem sagen. Die Eltern wären eingesperrt oder sogar hingerichtet worden.
Lebensmittelkarten wurden eingeführt, junge Männer mussten an die Front. In der Tanzstunde fehlten Männer, Frauen mussten mit Frauen tanzen. Es gab auch einen Reichsarbeitsdienst.
Kriegsende
Seit März 1945 hat man die Kanonade der heranrückenden Front im Osten gehört, manchmal war der östliche Himmel in der Nacht ganz rot vom Kriegsbrand.
Frauen, Kinder und alte Leute sollten nach Landskrone (Lanškroun) evakuiert werden. Vater Urbassek hat in Spornhau (Ostružná) mit einer Bauernfamilie abgemacht, dass Grossmutter Urbassek und Friederike dort das Kriegsende abwarten konnten. Sie blieben dort einige Wochen. Inge Urbassek und ihre Mutter haben Friederike und die Grossmutter ein paar mal mit dem Fahrrad in Spornhau besucht.
Betteln ums Essen nach dem Krieg
Deutsche bekamen kein Fleisch in den Geschäften, keine Butter, nur Margarine. Abends sind die Kinder betteln gegangen, im Milchgeschäft baten sie um Reste von Milch, in der Fleischerei um Grieben, kleine Stückchen Brot vom Bäcker. Man musste so betteln, weil das Essen, das sie auf Karten bekamen, nicht reichte. Die tschechischen Verwalter der Geschäfte gaben ihnen die Reste, sie wollten ihnen helfen.
Zwangsarbeit
Im Juli 1946 musste Friederike Urbassek zur Zwangsarbeit in die Hana, zur Erntehilfe. Friederike kam nach Hodolany in Olomouc. Sie schlief mit 20 bis 40 Frauen in einer Baracke auf dem Boden, 4 Wochen lang. Sie arbeitete dann in einem Gaswerk, wo sie geputzt hat.
Später arbeitete sie im Olmützer Wasserwerk. Dort gaben ihr die tschechischen Arbeiter heimlich Essen, sie haben Buchteln am Fenster oder auf der Toilette gelassen usw. Direkt durften sie es nicht geben, es war streng verboten. Die angestammte Bevölkerung war meist freundlich. Feindlich war jedoch der Mob, der ins Sudetenland plündern kam.
Sie war in Olomouc bis November 1946. Dann durfte sie heim fahren, um Winterkleidung zu holen. Friederike hat auch ein bisschen Geld für die Arbeit bekommen. Zu Weihnachten war sie dann wieder zu Hause.
Im Februar 1946 durfte sie auf Antrag ihrer Mutter endgültig zu Hause bleiben.
Plünderung und Vertreibung
Bei den Urbasseks fanden viele Hausdurchsuchungen statt. Bei einer hat man Inge ihre Lieblingspuppe genommen. In 1946, an Friederike´s Geburtstag, musste Familie ihr Haus verlassen.
Internierung und Verletzung des Vaters
Herr Urbassek wurde nach dem Krieg in dem Gefangenenlager in Adelsdorf interniert. Er wurde von einem Aufseher im Lager geschlagen und fiel auf den Hinterkopf. Lange Zeit sah er dann doppelt. Er bekam keine medizinische Pflege. Nach der Freilassung wollte er schnell weg aus der Tschechoslowakei. Er fürchtete eine weitere Verhaftung.
Neue Heimat
Familie Urbassek kam nach Kirchheim u. Teck. Der Transport dauerte 4 Tage. Ihre Grossmutter kam auf einem Rollstuhl mit. In den Waggons gab es keine Sitze. Es waren Dutzende Menschen in dem Waggon. Man saß auf Säcken. Männer haben aus einer Munitionskiste, in welche ein Eimer getan wurde, ein Klo gemacht.
Entvölkerung des Freiwaldauer Kreises
In 1931 hatte der Freiwaldauer Kreis rund 70 000 Einwohner, davon cca 2000 Tschechen (etwas über 3% der Gesamtbevölkerung).
In 1946 sind in 48 Transporten über die Muna (Niklasdorf - Mikulovice) rund 50.000 Menschen vertrieben worden.
Entnazifizierung des Vaters
Herr Urbassek war auch lange Jahre Hilfsarbeiter. Um die Familie besser zu versorgen, ging er alle zwei Wochen in die französische Zone, um um Obst und Gemüse bei Bauern zu betteln. Er hat immer einen grossen Korb zurückgebracht.
Herr Urbassek musste vor dem Krieg zur NSDAP, um Schuldirektor bleiben zu dürfen. Deswegen konnte er nach dem Krieg in Deutschland lange nicht unterrichten. Er wurde dann durch eine Spruchkammer entnazifiziert.
Herr Urbassek hat nach einigen Jahren in Deutschland und vielen Anträgen eine Lehrerstelle bekommen. Die Schule war zerbombt, er hat die Kinder in einer Gaststätte unterrichtet. Sein Fach war Mathematik, aber er unterrichtete auch andere Fächer dennes fehlte an Lehrern. Er musste sich seine Lehrmittel selber erstellen. Erst später erschienen Lehrbücher, sie mussten im voraus von der amerikanischen Militärregierung genehmigt werden, damit sie keine Nazipropaganda enthielten.
Friederikes Familie
Friederike hat genäht, bis sie das zweite Kind hatte, dann blieb sie im Haushalt. Ihr Mann ist sehr früh an Leukämie gestorben, damals war ihr erstes Kind 2,5 Jahre alt, das jüngere war ein Viertel Jahr alt. Mit Hilfe der Eltern hat sie das überstanden. Später hat sie dann eine Rente bekommen.
Der ältere Sohn wurde Kontrabassist, der zweite arbeitete bei der Telekom, jetzt ist er schon im Ruhestand.
Besser vertrieben sein als bleiben
Die Vertreibung ist ein bleibendes Trauma. Friederike meint jedoch, das es ihnen viel schlechter gegangen wäre, wenn ihre Familie in der Tschechoslowakei geblieben wäre. Das entnimmt sie den Aussagen von Sudetendeutschen, die nicht auswandern durften. Sie verloren ihr Haus und ihre Freunde und mussten schwere Arbeit im Wald und in anderen Orten ausüben. Die Entvölkerung des Sudetenlandes hat man nie wieder gut gemacht. Die neue Bevölkerung war oft ein Gemisch von Nationalitäten. Das Zusammenleben war problematisch.
Erster Besuch in Freiwaldau in den 60er Jahren
Die Schwestern Urbassek besuchten ihr ehemaliges Haus in den 60er Jahren. Dort wohnte immer noch Frau Burgová, die die Urbasseks in 1946 aus dem Haus hinausgeschmissen hat. Sie war schockiert, dass die Urbasseks zurück waren, aber hat sie hereingelassen. An der Wand hingen noch Bilder vom Vater Urbassek, die er für die Töchter gemalt hat. Das war für die Schwestern bedrückend. In der Wohnung stand noch das Klavier, das ihrer Mutter gehörte. Inge hat ein paar Akkorde darauf gespielt. Frau Burgová sagte betroffen, sie hätte das Klavier vom Gemeindeamt (Narodni vybor).
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