Von meinem Geburtshaus blieb nicht mehr als einige Steine übrig, die Kirchenmauern haben wir aber nach der Wende freigelegt
Emil Baierl, geboren am 8. Dezember 1933 in Kohlheim (Uhliště na Klatovsku), wuchs im nahen Flecken (Fleky) in einem großen Haus mit Landwirtschaft und einer Schusterwerkstatt auf. In Flecken sprach man ausschließlich deutsch, ebenso wie in der heute untergegangenen Gemeinde Rothenbaum (Červené Dřevo), wohin Emil in die Schule ging und die Wallfahrtskirche Mariahilf stand. Emil ministrierte in ihr zuweilen während der Sonntagsgottesdienste und zu ihrem Einzugsgebiet gehörten auch die Einwohner der nahen bayerischen Dörfer. Emils Vater diente in der tschechoslowakischen Armee, floh jedoch 1938 vor der Mobilisierung über die Grenze nach Bayern, weshalb er als Desserteur nach dem Krieg nicht mehr in die Tschechoslowakei zurückkehren durfte. 1939 rückte er zur Wehrmacht ein und kam in Kriegsgefangenschaft. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begannen Emil und seine Mutter wie viele ihrer Nachbarn systematisch Sachen über die Grenze nach Bayern zu schmuggeln – aus Angst vor der Vertreibung. Nachts vestauten sie die wichtigsten Dinge in Säcken und trugen sie rüber, bis im November die tschechoslowakische Armee eintraf. Im März 1946 übertrat er mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder endgültig die Grenze und lebte zunächst unter provisorischen Bedingungen in einem Stall, bis sie nach Neukirchen umzogen, wo Emil sich zum Schuster ausbildete. Emil verfolgte hinter der Grenze die Errichtung des Eisernen Vorhangs und die Zerstörung der Gemeinden im Grenzland. Nach Böhmen kehrte er erst nach der Öffnung der Grenze im Jahr 1989 zurück. Seine erste Reise führte nach Flecken zu ihrem Haus, von dem nicht mehr als einige Steine übrig geblieben waren. In der untergegangen Gemeinde Rothenbaum gelang es Emil mit weiteren Landsmännern anhand von Aschespuren in der Erde den Standort der ehemaligen Kirche zu bestimmen, nach und nach die Grundmauern freizulegen und deren Umriss zu bauen. Sie erneuerten die Grabsteine auf dem ehemaligen Friedhof und ließen eine Erinnerungstafel aufstellen.