Unsere Felder und Wiesen waren eigentlich von solchen dicken Mauern so hoch etwa, vielleicht so anderthalb, zwei Meter hoch (umgeben). Die wurden von unseren Vorfahren bei der Rodung ausgegraben und immer an die Wände angeschichtet. Und es sah bei uns ein bisschen aus wie in Schottland. Das hat mir sehr gefallen. Aber danach, als ich wiederkam, waren die Mauern weg. Die sind jetzt verbaut worden in den Wochenendhäusern. Da stehen überall die Keller, das können Sie mal anschauen, mit diesen Bruchsteinen. Also haben sie wieder für die Tschechen auch ein Zweck gehabt. Aber die vermisse ich sehr, da es unsere Spielplätze waren. Da konnte man oben lang springen, mann konnte da Kuchen backen, mit Himbeeren ausgedrückten, oder weiß ich, was wir genommen haben, das war unsere Kindheit, so sind wir aufgewachsen. Aber da gehörten diese Mauern dazu und die vermisse ich jedes Mal, wenn ich nach Seewiesen komme, weil das einfach, das verändert alles. Aber egal, jetzt können sich die Tschechen freuen, jetzt haben sie wieder Steine für ihre Keller, auch gut.
Für mich ist Heimat – wo meine Mutter war und wo mein Vater war und meine Eltern, die Großeltern, wir waren eine große Familie und das war für mich Heimat. Aber auch der Wald. Die Faszination Wald. Die kannst du dein Leben lang nicht mehr ablegen, die hast du halt. Du bist in dem Wald geboren, du gehörst zu dem Wald dazu. Das wird jeden Deutschen so gehen und jeden Tschechen so gehen, die hier wohnen, die werden genauso sagen, das ist meine Heimat. Das ist halt so.
Kein Stein auf dem anderen. Alles kaputt. Wissen Sie was, ich habe immer zu meinem Mann gesagt: „Ich halte es hier lange nicht aus, ich sehe kein Baum, ich sehe keine Wiese, ich sehe kein Wald, ich höre keine Vögel singen.“ Zum Böhmerwald war das eine Wüste. Leipzig war total kaputt, aber total. Mein Mann, die Familie war auch ausgebombt, die wohnten in der Universität, und alles war verbrannt, wir hatten nichts. So haben wir halt mühselig uns was aufgebaut.
Jede Nacht sind zu uns die Partisanen gekommen. Die hatten Maschinengewehre, Pistolen, alles Mögliche. Wenn man schon gehört hat, wie sie auf dem Fenster geklopft haben und „Aufmachen!“ ruften, dann hat man halt aufgemacht und dann ging es immer los. Sie haben in die Schränke geguckt, etwas weggenommen, und zu mir haben sie immer gesagt: „Du sagen, wo dein Vater. Oder wir dich erschießen.“ Einmal habe ich gesagt „Schieß!“ Ich wusste nicht mehr, was ich immer sagen soll. Meine Mutter hat so viel Angst gehabt um mich. Das war sehr, das war eine ganz schlimme Zeit. Das geht so viel über die Nerven, das kann man nicht ertragen. Aber das kann man ja nicht auf die Tschechen abschieben. Das waren halt Partisanen.
Jede Nacht kamen die Partisanen und drohten, uns zu erschießen
Frau Rosa Wohlfeld wurde am 25. August 1927 als Rosa Denk in Jenewelt (Onen Svět) bei Seewiesen (Javorná) nahe Markt Eisenstein (Železná Ruda) im Böhmerwald geboren. Mit den Eltern lebte sie auf einem großen Gut und erlebte bis zum Beginn des Krieges eine glückliche Kindheit. Eingeschult wurde sie 1933 und ging bist zur achten Klasse nach Seewiesen, danach zwei Jahre auf die Handelsschule in Pilsen (Plzeň). Als achtjähriges Mädchen verlor sie ihr Mutter, der Vater heiratete später erneut. Mit der Stiefmutter überstand sie den Krieg, während der Vater diente. Nach dem Krieg wüteten im Dorf Partisanen und Rosa hielt den ständigen Druck und die Erpressung nicht aus und flüchtete spontan im Mai 1945 aus Eisenstein durch den Wald nach Bayern. Sie fuhr bis zu ihrem Onkel nach Osterhofen, arbeitete kurz bei ihm und später in Griesbach auf dem Amt. Am 24. Dezember 1946 heiratete sie in Leipzig und begann mit ihrem Mann, einem Postbeamten, ein neues Leben in der zerstörten Stadt aufzubauen. 1953 ging die Familie in die Bundesrepublik Deutschland zu Rosas Eltern. Mehrmals zogen sie noch um, begannen immer wieder bei Null. Am Ende wurden sie in Diesenbach bei Regenstauf ansässig, wo sie bis heute leben. Rosa blieb zuhause und zog drei Kinder groß. Ihre Heimat besuchte sie das erste Mal 1989 und die Veränderung der Landschaft überraschte sie. Rosa trifft sich regelmäßig mit Freunden aus der ehemaligen Heimat und würde sich wünschen, dass das Thema der Vertreibung noch eröffnet würde. Sie ist der Meinung, dass die Politiker miteinander reden könnten und eine einvernehmliche Lösung finden sollten.
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