„Ja, und dann. Weiß ich nicht, dann sind wir die Straße langsam weiter gezogen. Du warst ja dann schon so abgestumpft, weil du das Elend links und rechts ja gesehen hast. Überall Leute, die gerade vor dir vorbeikamen, haben hinterher am Straßenrand gelegen und waren tot. Das war furchtbar.“
“Well, it brought us completely out of balance and we never regained that balance again. I had plans, I wanted to study, become a child doctor or, at least, a pharmacist. But what had I become? A little sales person. We all were impeded in our personal and career development by that. Families got torn apaert. Families that liked each other and were friends for maybe decades were suddenly torn apart and never saw each other again. They have never found each other again. I can say with certainty that this was a severe blow for everybody and it was very hard for people to cope with it.”
„Die Polen haben genauso viel Leid getragen. Bloß, das wussten wir ja damals nicht. Du hattest einen Kroll auf die, wenn ich ehrlich sein soll. Aber das hat uns ja keiner erzählt, dass die aus der Ukraine vertrieben wurden, genauso wie wir. Das habe ich ja dann erst von der alten Frau erfahren, als wir da waren. Und seitdem habe ich ja auch ein ganz anderes Sichtfeld darauf.“
„Indem du nackt und bloß standest. Dann kein Dach mehr über den Kopf, du hattest ja keine Zukunft mehr. Keiner wollte dich haben, kein Land. Also, ein Glück, dass du nicht so viel zum Denken kommen konntest, weil du dich ja um dein Weiterleben bemühen musstest. Wie du was zu essen kriegst, was zu trinken, ein Dach über den Kopf. Und da kamst du ja nicht so zum Nachdenken.“
„Wir waren ja dann alle so acht, neun, zehn. Da ist einen der Spaß dann vergangen. Wenn dann die Sondermeldungen kamen, dann hast du immer so gezittert. Dann war mein Vater mal vermisst. Oh Gott, dann kam die Pfarrersfrau jeden Abend und dann haben sie gebetet und geweint. Nein, also das war nicht schön im Krieg.“
Dann sind wir die Straße langsam weiter gezogen. Überall Leute, die gerade vor dir vorbeikamen, haben hinterher am Straßenrand gelegen und waren tot.
Röschen Schmidt wurde am 2. August 1931 im neumärkischen Pyhrene, dem heutigen Pyrzany, geboren. In diesem Dorf verbrachte sie ihre Kindheit. Ihr Vater wurde zu Beginn des Zweiten Weltkriegs eingezogen. Im Januar 1945 erreichten Truppen der Roten Armee das Dorf. Infolge der polnischen Besetzung wurde die Familie im Juni 1945 gezwungen, ihr Heimatdorf zu verlassen. Mit ihrer Mutter und ihrer Schwester gelangte Röschen Schmidt erst ins zerstörte Berlin, dann nach Neuruppin. Im Jahr 1952 wurde Röschen Schmidt nach Eisenhüttenstadt versetzt und arbeitete fortan für die Handelsorganisation der DDR. In Eisenhüttenstadt heiratete sie ihren Mann und hatte mit ihm drei Kinder. Um ihre Mutter in Westberlin öfter zu sehen, zog die Familie im September 1966 nach Ostberlin, wo sie bis zu ihrer Rente als Einzelhandelskauffrau arbeitete. Heute lebt Röschen Schmidt in Berlin-Blankenburg.
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