"Wie wir dann rübergegangen sind, von Neuhausen zur Röllmühle im Winter, da ist ein Wirtshaus, heute noch. Da hat meine Mutter das erste mal gefragt, wo die Röllmühle ist. Da war ein Licht drinnen, das waren die Pascher, die haben dort eine Station gemacht, da war ein Hallo drinnen. Meinen Vater haben sie zweimal erwischt, als er beim Paschen in Haslau war. Es war ein Unterschied, wer ihn erwischt hat. Zöllner waren das. Soldaten waren gefährlich, aber die Zölner haben ihn abgenommen. Er hatte einen Tischtuch und 12 Servietten gehabt, sie haben ihm eine Serviette abgenommen. Das andere konnte er tragen. Das zweite Mal haben sie ihn mit Bettwäsche erwischt. Das haben sie ihm den Kopfkisenüberzug weggenommen. Alles andere hat er nach Röllmühle gebracht. Aber sonst… das war ja, da sind laufend durch den Wald, immer ist man am Begegnen, die haben sich gewarnt. Wenn man halt di Straßen kennt, dann waren da die Abkürzungen. Und es war ein schöner Weg von Haslau nach Röllmühle, mehr als 20 Kilometer."
"Wir haben die Waren in Neuhausen abgeliefert und sind dann zu Fuß zu der Röllmühle. Es war ganz schön anstrengend, es war ja Winter, es war sehr kalt und bis wir die Röllmühle gefunden haben, es war großes Glück, in Allen hat jemand aus dem Fenster rausgeschaut, die hat uns gesagt, hinter dem Viadukt geht’s links, so sind wir gegangen, aber Röllmühle haben wir nicht gesehen. Dann haben wir uns dort ausgeruht und meine Mutter ist ins Tal gegangen, da war eine Windung, da ist sie rum und dort hat sie ein Licht gesehen. Und das war grad wieder Zufall, mein Vater kam gerade aus Haslau. Hat also Waren rüber getragen gehabt. Und jetzt musste er ein Pferdefuhrwerk noch organisieren, in der Nacht. Wir sind drei Mal nach Neuhausen gefahren, zur Röllmühle. Die älteren haben die Waren hinter den Häusern zur Straße gebracht, und die alte Frau Pecher und die Wonka Mariane und ich, wir durften in der Röllmühle bleiben. Wir könnten schlafen, während die anderen die Tour gemacht haben bis in die Morgenstunden."
"Im Rathaus waren Leute verhört worden und die sind geschlagen worden, das habe ich gehört. Das ist ein wesentliches Geräusch gewesen, Geschrei, wenn das war, hat mich mein Onkel sofort ins Haus geholt. Wenn ich erzähle, was ich gesehen habe, muss ich sagen, ich habe es immer mit Kinderaugen gesehen. Das Verhältnis vom Kind zum Gesehenen, es bleibt so in der Erinnerung. Wenn sich das ein älterer Mensch anschaut, ist alles viel kleiner. Aber was man gehört hat, hat man gehört. Das hat man gehört. Da war ein Mensch, der hat die Leute verraten. Ebert hat er geheißen. Es war ein kleiner Mann, hat eine Militärmütze getragen, wenn er immer vom Rathaus raus ist, haben wir geschaut, wo geht er hin. Er könnte zu denen oder denen gegangen sein. Und wenn die dann weg waren, dann hat es gestimmt."
In Vorbereitung dieses Gesprächs schrieb ich meine Erinnerungen auf. Endlich fühle ich mich erleichtert!
Wolfgang Kupferschmidt wurde am 24. Mai 1938 in Neudek geboren. Sein Vater stammte aus der Umgebung von Brüx. Der Großvater mütterlicherseits war Direktor der Neudeker Bürgerschule und die Familie der Großmutter betrieb Großhandel mit Klöppelspitze. Im Krieg wurde sein Vater eingezogen, und der kleine Wolfgang verbrachte seine Kindheit hauptsächlich mit den Großeltern. Als im Mai 1945 der Krieg zu Ende war, wurde die großelterliche Wohnung von den Russen besetzt, die dort ihre Kommandantur errichteten. Im Juni 1945 wurden die Großeltern festgenommen und an einen unbekannten Ort verbracht. Wolfgang war Zeuge der Nachkriegsereignisse in Neudek, wo er sich bis zum Jahresende 1945 aufhielt. Am 19. Dezember gelang es ihm zusammen mit seiner Mutter und einigen Familienfreunden, nach Deutschland zu kommen, wo sie von seinem Vater erwartet wurden. Die Familie ließ sich im bayerischen Grenzgebiet unweit der tschechoslowakischen Grenze nieder. Nach der Ausbildung arbeitete der Zeitzeuge mit einer kurzen Unterbrechung während seines ganzen Berufslebens als Bankangestellter. Er ist verheiratet und hat zwei Söhne. Viele Jahre lang engagierte er sich in der Sudetendeutschen Landsmannschaft, bis er sich aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen musste.
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